Im Gespräch: John Kilaka

Als John Kilaka sein Buch „Schneller Hase“ vor Kindern vorträgt, inszeniert er eine Mischung aus Lesung und „Ein-Mann-Theaterstück“. Er erzählt in Englisch und ahmt die unterschiedlichen Tiere in Haltung, Mimik und Geräuschen nach. Die kleinen Zuhörer*innen freuen sich über die theatralische Darbietung und lauschen dem charismatischen Mann gebannt. Im Gespräch wirkt John Kilaka eher zurückhaltend, doch auch hier spürt man seine Leidenschaft, wenn es um die tansanischen Erzählungen geht, die ihm sehr wichtig sind. Der Künstler, der eigentlich Landwirt oder Fischer hätte werden sollen, hat sich auf die Tingatinga-Malerei spezialisiert und verbindet diese in seinen Bilderbüchern mit der traditionellen Erzählweise Tansanias.

Martina: Sie sollten eigentlich in die Fußstapfen ihres Vaters treten und Fischer oder Landwirt werden, wie kam es dazu, dass sie erst Künstler und dann Autor wurden?

John: Ja, das stimmt: Fischer, Landwirt oder Jäger. Ich bin auch sehr gerne mit den Jägern aufgebrochen, aber nicht, um zu jagen, sondern um ihre lustigen Geschichten zu hören. In dieser Zeit saßen sie abends gemeinsam um das Feuer und erzählten sich die lustigsten und längsten Geschichten, um alle im Kreis zum Lachen zu bringen und so die Hyänen fernzuhalten. Später als ich mich entschieden hatte Künstler zu werden, entschloss ich mich, die Geschichten aufzuschreiben, damit sie nicht verloren gehen.

Martina: Wie steht es um die Erzähltradition in Tansania. Wird in den Familien noch viel erzählt?

John: Oh nein, es geht verloren. Die Menschen sind mehr mit neuen Technologien wie Fernsehen, Smartphones und Tablets beschäftigt als mit dem richtigen Leben. Das ist sehr schade, daher würde ich gerne eine große Sammlung traditioneller Erzählungen veröffentlichen.

Martina: Sind denn zumindest ihre Bilderbücher in Swahili erhältlich?

John: Nein, leider noch nicht. Aber langsam zeigen auch die wenigen Verlage in Tansania Interesse an den Büchern, die in Europa so gut ankommen.

Martina: Das wäre ja schön! Gut ankommen tun sie unter anderem wegen den fantastischen Farben der Tingatinga-Kunst. Wie entstehen die farbenreichen Illustrationen? Mit welchen Materialien arbeiten Sie?

John: Ich arbeite mit Ölfarbe und Papier, aber ich muss einen kleinen Trick anwenden, damit die Ölfarbe das Papier nicht durchtränkt: Erst skizziere ich die Tiere auf das Papier, danach überstreiche ich die Skizzen mit Holzpolitur. Ist diese getrocknet, kann ich die Umrisse der Zeichnungen immer noch erkennen, wenn ich nun die Ölfarbe auftrage, wird sie nicht mehr vom Papier aufgesogen und die Farben leuchten kräftig!

Martina: Das stimmt, in ihren Bildern leuchten kräftige Farben! Im Unterschied zur herkömmlichen Tingatinga-Malerei, kleiden Sie ihre Tiere in die typischen, bunten Ankara Stoffe. Warum?

John: Für meine Bücher wollte ich die Tingatinga-Malerei weiterentwickeln. Da jede Geschichte eine Aussage hat, die für Menschen gilt, sollten die Tiere Kleider bekommen. Das Babynilpferd ist auf den Rücken seiner Mama gebunden, so erkennen die Kinder ihre eigene Lebenswelt wieder. Die anderen Parameter, wie Kontur, Farbigkeit und Hintergrund sind wie in der Tingatinga-Kunst, nur die Kleider machen den Unterschied.

Martina: In „Der wunderbare Baum“ und „Schneller Hase“ ist immer der Hase, das gescheiteste Tier. Die Ratte macht das Feuer und die großen Tiere geben den Ton an. Es gibt also feste Rollen in tansanischen Erzählungen?

John: Die gibt es! Der Hase muss clever sein, das ist wie hier mit dem Fuchs! Wenn Du auf einmal schreibst, dass der Hase faul ist, wüsste jeder: Hier stimmt was nicht! Der Hase ist klug. Die Idee, dass die Ratte das Feuer macht, habe ich aus „Gute Freunde“ übernommen, dieser Einfall stammt von mir. In der traditionellen Erzählweise ist der Elefant, als das größte Tier, der Anführer der Gemeinschaft. Der Büffel ist der Angriffslustige – in „Schneller Hase“ ist er der Erste, der eines der kleinen Tiere opfern will. Die Giraffe mit dem langen Hals sieht sehr weit, daher ist sie weise, klug und kann manchmal in die Zukunft sehen.
Wenn ich eigene Geschichten in der traditionellen Erzählweise verfasse, wie in „Gute Freunde“ und „Schneller Hase“ muss ich immer genau nachdenken, für was die Tiere stehen. Eine Maus kann nie die Anführerin sein, dafür ist sie zu klein.

Martina: Mir fällt gerade auf, dass die Hyäne in den Geschichten gar nicht vorkommt.

John: Die Hyäne ist faul – das weiß jeder!

Martina: Alle Geschichten scheinen eine tiefere Botschaft zu haben. Wollen Sie mit ihren Bilderbüchern bei den Kindern etwas anstoßen?  

John: Bevor ich eine Geschichte schreibe, muss ich über etwas Wichtiges nachdenken: Was möchte ich den Kindern erzählen, was ist mein Ziel und was sollen sie für sich mitnehmen können?
In „Schneller Hase“ wollte ich vermitteln, dass die bequemste Lösung meist nicht die Richtige ist. Wenn man ein Problem hat, muss man gemeinsam nachdenken, um es zu lösen!
Viele Menschen sind in derselben Situation, bevor sie selbst das Nachsehen haben, schieben sie es an jemand Schwächeren ab. Jeder ist sich selbst am Nächsten, selbst in schwierigen Zeiten.

Martina: Also ist „Schneller Hase“ ein Buch, das sich für gemeinschaftliches Handeln ausspricht?

John: Ja, und das ist universell, es passt an jeden Ort und zu allen Menschen. Das ist mir sehr wichtig. Wenn wir über die Bedeutung von „Gute Freunde“ nachdenken, dann sagt uns die Geschichte, dass man auch an die Zukunft denken und niemandem schaden sollte. Falls man doch einen Fehler macht, ist eine Entschuldigung ein einfacher und guter Weg, der oft zu Frieden führt.

Martina: Das ist eine wichtige Botschaft. Vielen Dank für das Gespräch!


Von John Kilaka sind folgende Bilderbücher in deutscher Sprache im Baobab Verlag erschienen:
Frische Fische, 2001
Gute Freunde, 2004
Der wunderbare Baum, 2009
Schneller Hase, 2018


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