Alternative Leseformate: TipToi – was kann der Vorlesestift?

Wer kennt sie nicht, die digitalen Lesestifte? Die Kinder tippen mit dem Stift auf eine bestimmte Stelle im Buch und hören daraufhin Geräusche oder Erklärungen über bestimmte Sachverhalte. Auf jeder Doppelseite finden wir eine Menüleiste, mit der wir Lieder und Spiele passend zur Seite abrufen können. Wirken sie sich positiv auf die Sprachentwicklung der Kinder aus? Ich habe noch keine passenden Studien entdeckt, stelle aber im folgenden Artikel Überlegungen an, inwiefern sie gut einsetzbar und entwicklungsfördernd sein können. Ich stimme, der Stiftung Lesen vehement zu, die betont, dass die digitalen Helfer, das Vorlesen als solches nicht ersetzen. Ergänzend können wir die orangenen Vorlesehelfer gut einsetzen.

Tiptoi – wie es funktioniert.

„Tiptoi“ ist eigentlich ein interaktives Lernspiel des Verlags „Ravensburger“, je nachdem kann man den Stift mit Spielbrett, Puzzle oder Buch zusammensetzen. Hat man ein Tiptoi – Artikel erstanden, so muss man sich die App „Tiptoi-Manager“ auf ein Endgerät mit USB-Anschluss laden. In dieser App kann man die passenden Dateien (kostenlos) herunterladen und über das USB-Kabel auf den Stift laden. Nach anschalten des Stiftes fordert dieser dazu auf, den passenden Artikel zu Aktivieren. In den Büchern befindet sich das grüne Anschaltsymbol auf der ersten Seite, rechts unten. „Willkommen in …“ nun kann es losgehen. Durch das Tippen auf unterschiedliche Bilder hören wir Geräusche, Sachinformationen oder Dialoge. In der Menüleiste können wir interaktive Spiele, vertiefte Sachinhalte oder Lieder starten. Ich werde fortlaufend ausschließlich auf die Tiptoi Bücher eingehen.
Wichtig: Tiptoi funktioniert ausschließlich zusammen mit kompatiblen Medien.
Tatsächlich ist bei einigen Bildersachbüchern die Altersangabe von 4-7Jahre. Die Bilderbücher werden einer großen Altersspanne gerecht. Für Siebenjährige schaffen die Bücher „Expedition Wissen“ oder „Lese-Lausch-Abenteuer“ neue Anreize.
Im Folgenden werde ich vor allem auf die Tiptoi – Bilderbücher für Kinder im Alter von 3 – 7 Jahren (Verlagsangabe) eingehen.

Entwicklungsförderung – Sprache / Sachwissen / Musik

Anreiz sich mit Büchern zu beschäftigen

Die Tiptoi-Medien faszinieren Kinder und sind daher ein attraktives Mittel, um sie überhaupt vor die Bücher zu locken. Das gesehene Bild, wird mit einem Geräusch oder einer Erklärung gekoppelt. Die Kinder haben die Möglichkeit zusätzliche Informationen des Bildes abzurufen (Beispielsweise die Namen der Kinder). Die Sachinformationen sind für größere Kinder auch spannend, allerdings brauchen sie Erwachsene, um etwaige Folgefragen zu klären.
Meist experimentieren die Kinder zunächst, welche Inhalte auf einem bestimmten Bild ausgelöst werden, bis sie sich schlussendlich entscheiden, etwas genauer anzuhören.
Dieses anfängliche Hin- und Hertippen kann leicht mit Überforderung verwechselt werden, ist aber eher ein „sich-zurecht-finden“ im Buch und sollte nicht unterschätzt werden.
Durch die unterschiedlichen Inhalte, welche die Bücher vermitteln (Sachwissen, Dialoge, Geschichte) können sich die Kinder genau das Thema suchen, das sie momentan interessiert.

Sprachförderung

Durch die abgespielten Inhalte, die sich an ein Bild koppeln, kann der Wortschatz der Kinder spielerisch erweitert werden. Je nachdem, um welche Thematik es sich handelt, findet dies fast schon systematisch statt. Beispielsweise können Kinder, die sich ausgiebig mit dem Bilderbuch „Die Welt der Musik“ auseinandersetzen, bestimmt einige Instrumente erkennen, benennen und ihren Klang zumindest den Saiten- oder Blasinstrumenten zuordnen – eine Möglichkeit, die man mit einem „normalen“ Sachbuch, nicht hat.
Sie hören aber nicht nur neue Wörter: Die Dialoge zwischen den Protagonisten geben Aufschluss über Sprachgebrauch und Umgangsformen. Natürlich begrüßen sich die Kinder, sagen „Danke“ und „Bitte“, bitten ihre Freund*innen um Hilfe oder bieten diese an. Die Kinder im Buch benennen Gefühle, Spielideen und Erzählungen von ihren Erlebnissen. So werden von den rezeptierenden Kindern die „Pragmatik“ der Sprache und kulturelle Umgangsformen genauso wahrgenommen wie Satzbau und Phonologie.
Was sie nicht verstanden haben, können sie abspielen, so oft sie wollen. Gleichzeitig können sie den Vorlesestift nicht nach Sinnzusammenhängen fragen, hier ist der/die Vorlesende im Vorteil.

Hörverstehen

Die Kinder können in den Seiten Personen und Gegenstände antippen, um Geräusche, Informationen oder Dialoge abzurufen. Da die Tiptoi – Inhalte mit dem Bild gekoppelt sind, haben die Kinder nicht nur auditive Reize, sondern können sich teilweise durch das Bild den Kontext erschließen. Die Spiele bestehen aus: „Ich sehe was, was du nicht siehst“, „Ich packe meinen Koffer“, Tiergeräusche erkennen oder abgebildete Gegenstände suchen. In jedem Fall müssen die Kinder gut zuhören, nach was gesucht wird und das passende Bild auf der Seite finden und antippen. Je nachdem, was genau gesucht wird, müssen sie auf die Details achten (rotes, kleines Quadrat). Durch die Spiele werden Hör-Verstehen, Erkennen und Auge-Handkoordination geschult. Die „Ich packe meinen Koffer“- Spiele trainieren die Merkfähigkeit.

Bild: M. Leinweber

Vielfalt – Fehlanzeige

Ein Kritikpunkt meinerseits ist, dass „Ravensburger“ sich zwar mittlerweile etwas bemüht Vielfalt in ihren Bilderbüchern abzubilden, allerdings ist dies in den fünf Bilderbüchern, die mir hier zur Verfügung stehen nicht der Fall. Ich habe das Gefühl, dass alle Kinder in diesen Bilderbüchern wahnsinnig glücklich in ihren hetero-normativen Familien und Einfamilienhäusern leben. Dies ist für mich und viele andere nicht mehr das einzige erstrebenswerte Familienmodell, sondern eines unter vielen. Menschen mit dunkler Hautfarbe (People of color) oder Kinder mit Behinderung sind sehr selten, bzw. nicht vorhanden. Die häufig dargestellten Bauernhöfe haben mit Wirtschaftsbetrieben nichts gemein (Besser in: Das wahre Leben der Bauernhoftiere). Ich bitte um etwas mehr Realität!

Pädagogischer Einsatz

Bei uns sind Tiptoi – Stift und ein Bilderbuch frei zugänglich, da unsere Tochter (2,7 Jahre) zwar sehr gerne damit spielt, aber auch wieder ein Ende findet. Wenn ich merke, dass das Buch seinen Reiz verliert, tausche ich die Bücher wieder aus. Auf diese Weise hat sie die Möglichkeit sich in dem einen Bilderbuch zu orientieren und weiß, nach und nach, welche Dialoge oder Geräusche sie mit dem Stift auslösen kann.

Im pädagogischen Bereich würde ich den Stift sehr spärlich einsetzen. Allerdings finde ich es wichtig, dass auch Kinder, die den Stift nicht Zuhause haben, diese Medienerfahrung erleben könnten. Ich würde die Ruhezeit der Vorschulkinder abkürzen und sie in einem angrenzenden Raum zu Zweit spielen lassen. Die Spiele bereiten viel Freude und haben durch das technische Gerät einen hohen Anreiz. Gleichzeitig müssen sich die Kinder einigen, wer, wann den Stift führen und entscheiden darf, was ausgelöst wird.

Eine exemplarische Auswahl an Tiptoi – Büchern stelle ich euch in diesem Artikel vor.

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