Bilderbücher betrachten mit Kindern, die deutsch als Zweitsprache lernen
Kinder, die in ihren Familien die Sprache des Herkunftslandes der Eltern oder Großeltern sprechen, erfahren ein regelmäßig deutsch sprechendes Umfeld erst in der Kita. Das ist auch gut so, denn sie sollen die Herzenssprache der Eltern als erstes und gut lernen, bevor sie sich dem Erlernen der Landessprache widmen können.
Viele Kinder begleiten ihre Eltern ohnehin schon im Alltag und können teilweise dort schon einiges aufschnappen. Manchmal haben sie größere Geschwister, die durch ihre Schulaufgaben oder ihre Kitafreunde schon ein paar deutsche Begriffe und Sätze mitgebracht haben.
Die alltagsintegrierte Sprachförderung in der Kindertagesstätte möchte Kinder die mehrsprachig aufwachsen, sprachlich gut begleiten. Ziel ist es, dass sie bis zum Schulstart die deutsche Sprache so beherrschen können, dass sie für den deutschen Schulalltag gewappnet sind.
Zu dieser Begleitung zählen natürlich praktische Kompetenzen, um den Alltag zu meistern: „Ich muss kurz aufs Klo.“, „Kann ich die Rot haben?“, aber auch die Freude an Sprache, durch Finger- und Sprachspiele. Natürlich soll der gemeinsame Genuss von (Bilder-)Büchern nicht fehlen. Dieser schult zusätzlich zur gesprochenen Sprache das Bildverstehen, die Lese- und Literaturkompetenzen und die transkulturelle Lernerfahrung.
In folgenden Abschnitten möchte ich auf die Anleitung von Kindern mit deutsch als Zweitsprache (kurz DAZ) eingehen und eine Auswahl an Büchern empfehlen.
Anleitung einer Bilderbuchbetrachtung
Gruppenzusammensetzung
Die Gruppenzusammensetzung ist bei der Bilderbuchbetrachtung sehr wichtig. Habe ich nur Kinder, die sehr gut Handlungszusammenhänge verstehen, verknüpfen und verbalisieren können, kommen Kinder mit DAZ nicht mit, und trauen sich vielleicht nicht, einzelne Gegenstände aufzuzählen, die sie erkennen. Daher versuche ich die Kinder so auszuwählen, dass zwar Kinder mit guter Sprachkompetenz dabei sind, greife aber eher auf Kleinere zurück, die noch etwas Unterstützung benötigen, um den Handlungsstrang selbst in Worte zu fassen. Während diese Kinder noch Zeit brauchen, das Bild zu entschlüsseln, kann ich Kinder mit DAZ ermuntern, einzelne Beobachtungen zu teilen. Das Tempo der Bilderbuchbetrachtung entschleunigt sich und alle Kinder kommen zum Erzählen.
Buchauswahl
Bücher, wie „Ausflug zum Mond“ oder „Die wilden Kerle“, eignen sich für gewöhnlich sehr gut für eine Bilderbuchbetrachtung. Allerdings kommen in ihnen sehr wenige Gegenstände vor, die Kinder mit DAZ benennen können. Außerdem ist das transkulturelle Lernen eher eingeschränkt. Bilderbücher, wie „Kalle und Elsa“, „Bus fahren“ oder „Mina entdeckt eine neue Welt“ spielen im Kindergarten / bzw. Zuhause Setting. Es tauchen bekannte Alltagsgegenstände oder Tiere auf, die von den Kindern benannt werden können. Die Gefühle der Kinder können besprochen werden, so dass die Kinder lernen (ihre) Gefühle zu benennen und auszudrücken.
Dialogische Betrachtung
Während der Bilderbuchbetrachtung beobachte ich die Kinder genau. Regt sich etwas in einem Kind, es traut sich aber nichts zu sagen, so ermuntere ich es aktiv durch offene Nachfragen: „Hast du etwas entdeckt?“, „Was fällt dir in diesem Bild auf?“.
Falls die Kinder Dinge falsch benennen, korrigiere ich sie positiv. Ein Kind sagt zum „Rechen“ „Schaufel“, dann antworte ich: Genau, du kennst die Schaufel aus dem Sandkasten. Der Rechen ist auch immer mit dabei. Hier ist der Rechen.“.
Sagen die Kinder das Wort auf ihrer Sprache, so antworte ich: „Super, heißt das so auf …? Spielst du mit dem … Zuhause auch immer?“
Die Erstsprache des Kindes muss wertgeschätzt werden. Das Ziel jedes Orientierungs- oder Bildungsplans ist es, das Kind und seine Familie so anzunehmen, wie sie sind. Die Sprache ist ein Teil von ihm / von ihnen.
Vielleicht hört ein Kind nur zu und möchte nichts sagen. Diesem Kind biete ich zu einem späteren Zeitpunkt oder am nächsten Tag an, gemeinsam mit ihm das Buch anzuschauen. Manchmal trauen sich die Kinder in einer 1:1 Situation
(An dieser Stelle merke ich gerne an, das 1:1 Situationen unter den momentanen Arbeitsbedingungen nur sehr eingeschränkt möglich sind).
Sprechfreude – wo es geht
In „Echte Bären fürchten sich nicht“ oder „Der Wal nimmt ein Bad“ gibt es sich wiederholende sprachliche Akzente. Im ersteren wiederholt sich die Phrase: „Denn echte Bären fürchten sich nicht“, im zweiten Beispiel können die Kinder, die Geräusche der Tiere, die ins Wasser hüpfen nachahmen. Beides Mal ist die Gruppe aufgefordert mitzusprechen. Das heißt die Kinder bekommen die Möglichkeit Laute und Abfolgen gemeinsam zu üben und Sprechfreude zu entwickeln.
Familien abholen
Durch mehrsprachige Bilderbücher ist es manchmal möglich, das Bilderbuch in der Kita auf deutsch zu bearbeiten und gleichzeitig in der Familiensprache auszuleihen. So können die Eltern dem Kind Zuhause die Geschichte in ihrer Sprache vorlesen.
Zwei Beispiele, die in mehreren Sprachen erhältlich sind: „Das kleine Ich bin ich“ und „Der Dachs hat heute schlechte Laune“.
Der Baobab Verlag gibt immer wieder sehr kunstvolle, literarisch hochwertige, zweisprachige Bilderbücher heraus: „Schlaf gut“ oder „Plitsch platsch, pitsch, patsch“.
Mehrsprachigkeit ist in einer globalisierten Welt eine Kompetenz. Wir sollten DAZ als Chance sehen und unsere Anstrengungen die Kinder durch alltagsintegrierte Sprach – und Leseförderung auf die Schule vorzubereiten ernst nehmen. Dafür benötigen wir aber nicht nur eine positive Haltung, sondern auch die nötigen politischen Rahmenbedingungen.
Bildung kostet soviel, wie ausreichend Personal, um zugewandt und voll Freude die Bildungsprozesse von Kindern unterstützten und begleiten zu können.
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