Vorlesen mit Babys und Kleinkindern

Warum soll ich meinem kleinen Baby vorlesen?

Beim Vorlesen lenken wir zum ersten Mal den gemeinsame Fokus auf ein Bild und der erste Dialog über ein Thema entsteht. Durch Zeigen und Benennen lernen die Babys, dass der weiche, runde Ball auch als Abbildung existieren kann, so findet die erste Annäherung an Symbolik statt. Die Bilder werden mit Worten verknüpft, der Wortschatz erweitert.
Grundsätzlich können wir den Kleinen auch in zusammenhängenden Sätzen vorgelesen: Der Sprachklang, die Sprachmelodie, die Betonungen der Erstsprache werden so, nach und nach verinnerlicht.
Die Beziehung zum Vorlesenden wird in der Vorlesesituation gefestigt und der positive Bezug: Vorlesen und Nähe kommt zustande.
Nur weil Babys noch nicht sprechen und gezielt reagieren können, heißt es nicht, dass sie nichts verstehen. Lasst das Ritual zur Gewohnheit werden und genießt die Nähe, die bei der gemeinsamen Lesesituation entsteht!

Welche Bilderbücher eignen sich für mein Baby?

Dies könnt ihr nach euren eigenen Vorlieben entscheiden: Vom Bildwörterbuch bis zum Brockhaus – die Möglichkeiten sind unbegrenzt.
Bildwörterbücher beinhalten eine Abbildung pro Seite, die der / die Vorleser*in benennt. Sie werden oft als erste Bilderbücher empfohlen. Ich nütze sie vor allem in Freispielsituationen, in denen die Kinder selbst zum Buch greifen, es zerkauen oder herumwerfen können – auch diese Erfahrungen sind wichtig. Die Kinder sollen Bücher mit allen Sinnen begreifen. Bilderbücher, die das aushalten sind beispielsweise die „Unkaputtbar Pixies“ von Carlsen.
Für eine Vorlesesituation greife ich zu Büchern, die ich selbst gerne vorlese oder erzähle. Die Bilderbücher sollten unbedingt auch den Erwachsenen gefallen. Meine Auswahl für die kleinsten Leser*innen:

Reimgeschichten, wie „Pick die Henne“ oder „Henriette Bimmelbahn“, Mitmachbücher „Nur noch kurz die Ohren kraulen“ oder kurze Geschichten mit wenig Text und Pointe, wie „Wo ist die Maus“, oder „Der Wal nimmt ein Bad“ eignen sich sehr gut. Vorleser*innen die lieber Bilder besprechen und zeigen, können zu Bilderbüchern wie „Ich mag…“ oder „Nur noch eins“ greifen.

Wiederholungen sind für Kleinkinder sehr wichtig, gerne kann man ein Bilderbuch über mehrere Tage / oder Wochen mit ihnen anschauen.

Wie beginne ich das Vorlesen mit meinem Baby?

Sucht euch eine Situation im Tagesablauf des Babys, die zum Vorlesen gut passt. Viele Eltern wählen das Abendritual, da sie die Kinder durch das Lesen in eine ruhige Phase begleiten wollen. Für manche Eltern passt es eher nachmittags, wenn das Baby ausgeschlafen und satt ist.
Zum Lesen wähle ich einen gemütlichen Platz (Bett, Couch, Kissen) und setzte das Baby auf meinen Schoß. Nun könnt ihr gemeinsam ins Bilderbuch schauen. Mehr zur Gestaltung eines Vorleserituals findet ihr unter „Vorleserituale gestalten“.

Hört sich alles prima an, aber…

Mein Kind patscht mit den Händen auf die Buchseiten – Gut so, es möchte sich das Buch begreifbar machen! In diesem Fall lasse ich es erstmal patschen, zeige selbst mit dem Finger auf Bilder und benenne sie. Ich klappe die nächste Seite halb auf und mein Kind greift direkt danach und blättert ganz um, wieder benenne ich was ich sehe.

Mein Kind schreit die ganze Zeit rum und wackelt – Ok. Lesen erschwert. Es ist eine neue Situation. Wieder zeige ich auf unterschiedliche Bilder, imitiere Tierlaute, spiele mit der Stimme, um seine Aufmerksamkeit auf die Bilder zu lenken.

Mein Kind blättert wie wild von vorne nach hinten – Das lasse ich kurz zu, dann versuche ich durch meine Sprache und Zeigen und Benennen, seine Aufmerksamkeit auf die Bilder zu lenken. Wenn es nicht klappt, versuche ich es morgen erneut.

Mein Kind scheint gar nicht zuzuhören. – Vielleicht noch nicht, jedes Kind braucht Zeit, um sich an das gemeinsame Leseritual zu gewöhnen. Wer sich schon einmal zu einem Yoga-Kurs angemeldet hat, weiß, dass die Übungen nach ein paar Stunden sehr viel schneller und sicherer funktionieren.

Lesen will geübt sein. Als Vorleserin bin ich geduldig und versuche positiv auf das Kind einzuwirken, um das Buch gemeinsam anzuschauen. Meistens dauert es mehrere Tage, bis das Kind merkt, dass es um die Bilder geht. Es wird auch aufhorchen, wie lustig sich die gelesene Sprache anhört. Babys können noch nichts konkret nachsprechen, mit drei Monaten auch noch nichts zeigen. Das bedeutet aber nicht, dass keine Bildungsprozesse stattfinden. Nur Mut!

Bei uns …

… wurden schon einige Varianten durchgespielt. Eigentlich würden wir gerne beiden Kindern gemeinsam vorlesen. Nach mehrfachem Ausprobieren mit anschließender Frustration lesen wir ihnen nun getrennt vor.
Es scheiterte am Lesestoff und der Aufmerksamkeit aller Beteiligten. Während die Tochter zuhören wollte, musste der Sohn durch Zeigen motiviert werden. Der Lesestoff war für den Jüngsten zu viel, für die Große zu wenig. Nach dem Ritual war niemand zufrieden. Nun lassen wir uns getrennt auf die Kinder ein und schenken jedem seine Vorlesezeit. Auf diese Weise kann jedes Kind das Bilderbuch auswählen, was zu ihm passt und bekommt gleichviel Nähe und Aufmerksamkeit geschenkt. Unser Sohn (12 Monate) liest wochenlang dasselbe Buch (Wiederholungen sind so wichtig), die Tochter (3 Jahre) sucht selbstständig aus, wozu sie in dem Moment Lust hat. Langfristig würde ich gerne mit beiden gemeinsam lesen, mal sehen ob es in einem Jahr besser passt.

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